Das HoHo Wien: hoch hinaus mit Holz
„Das HoHo Wien war bei seiner Fertigstellung 2019 mit 84 Metern das höchste „HolzHochaus“ der Welt. Doch nicht alle waren immer aus dem (Holz-)Häuschen: die Holzbranche zeigte sich skeptisch, dass ein solches Großprojekt ohne Erfahrungswerte umzusetzen sei. Doch Bauherrin Caroline Palfy folgte ihrer Leidenschaft für nachhaltiges Bauen und stemmte mit ihrem Team das Bauprojekt. Die Holzbranche der Zukunft darf aus dem des HoHo Wien lernen: der Vision der Nachhaltigkeit, der Hybridbauweise, dem Holzsystembau, Holz als Baumaterial und den Herausforderungen, die die Konstruktion des HoHo Wien mit sich brachte.“
Das HoHo Wien in Zahlen
> Bei Fertigstellung das höchste Holzhochhaus der Welt
> Bauplatz Seestadt Aspern, Wien
> Bauunternehmen DI Markus Handler, HANDLER Group mit Caroline Palfy als Bauherrin und Projektplanerin, cetus Baudevelopment
> 84 Meter hoch, 24 Stockwerke
> 77 Minuten bis das verbrauchte Fichtenholz aus Österreich nachgewachsen ist (siehe unten)
> 119 Zimmer Hotelzimmer, 24 Serviced Apartments für Kurzzeitmieter, 1 Seminarbereich, 1 Restaurant mit Seeblick, große Geschäftsfläche im Erdgeschoss
> 2014 Planungsbeginn, 2016 Baubeginn, 2019 Fertigstellung
> 3,5 Wochen Montagezeit
> 1000 Bauteile, 250 LKW-Fuhren
> 16.000 m² Holz-Beton-Verbunddeckenelemente, 800 Brettschichtholz-Stützen, 14.400 m² Brettsperrholz als Außenwandelemente mit bereits eingebauten Fenstern, angeliefert in nur 50 Transporten
> 75% ab dem 2. Stock aus Holz
> 15 Euro Nettomiete pro Quadratmeter
HoHo Wien: Pläne einer Utopie aus Holz
Als die Planungen für das HoHo Wien im Jahr 2014 begannen, war Nachhaltigkeit in der Baubranche noch ein Randthema. Die Baumeisterin Caroline Palfy hatte jedoch schon damals die Vision, dass Nachhaltigkeit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden muss. Die Idee des ersten Holzhochhauses entstand, um eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Baustoffen wie reinem Beton und Stahl zu bieten. Ihre Vision galt in der Branche als utopisch.
Angelehnt an die Nachfrage von Kund:innen nach Hochbauten, die ein Gefühl von Freiheit und Weitsicht geben, wagte sich Caroline Palfy der HANDLER Group hoch hinauf. Die tragende Konstruktion sollte eine Hybridkonstruktion aus Beton und Holz sein. Die tragende Basis wurde komplett aus Holz geplant und nach oben hin verjüngt wie ein Baumstamm. Der Betonkern sollte die Schwingungen des Hochhauses ausgleichen. Es wurde so viel wie möglich, aber mit viel Know-How Überflüssiges Entschlackt, um Gewicht zu sparen.
Das Ziel war jedoch nie einen Rekord aufzustellen, höher, schneller, größer und weiter zu kommen. Sondern möglichst nachhaltig zu bauen, statt sich auf die Rendite zu fokussieren. So wurde bewusst mit regionaler Fichte gearbeitet, die in einer Holzfirma in Kärnten vorgefertigt wurde. Caroline Palfy realisierte schnell: das Projekt wird kompliziert. Aber nicht, weil mit Holz gearbeitet wird, sondern weil es sich um einen Prototypen, einen Pionier handelt. Sie brachte dennoch den Mut auf, die Mehrkosten bei Material einzugehen, um nachhaltig zu bauen. Auch wenn es keine sicheren Erfahrungswerte gab, kalkulierten sie und ihr Bauteam so, dass diese Mehrkosten für das Holz am Ende durch smarte Logistik, kurze Bauzeit und niedrige Betriebskosten wieder aufgehoben würde.
Heute ist sie sich sicher, dass die Pläne des HoHos heute nicht mehr die beste Lösung sind, um ein Hochhaus aus Holz zu bauen, aber eine sehr, sehr gute.
HoHo Wien: Konstruktion so nachhaltig wie möglich
Caroline Palfy wusste genau, wen sie in ihr Projektteam holen möchte. Auch wenn es in Österreich viele sehr gute Partner, Planer, Fachplaner, Konsulenten und Baufirmen gibt, suchte sie sich nur die, die ihre Vision gleichermaßen teilen.
Bei der Ausarbeitung wurde in Hybridbauweise geplant, die eine Kombination aus Holz und Beton nutzt. Zudem nutzten sie den sogenannten Holzsystembau. Dafür wird das Gebäude in Einzelteilen aus Holz geplant. Diese werden in einer Montagehalle bereits fertig zugeschnitten und sogar mit Fenstern versehen. Die einzelnen Teile werden dann auf der Baustelle ineinander gesteckt, was die Bauzeit enorm verkürzt. Der Stahlbeton wurde vor Ort hergestellt.
Für die Deckenelemente im Holz-Beton-Verbund wurden Brettsperrholzplatten (BSP) mit Beton verbunden. Die BSP verfügten über lokale Vergussaussparungen und Klappeisen. Durch diese schubsteifen Deckenelemente wurde eine Verformung des gesamten Gebäudes erzwungen und die einwirkende Horizontalkräfte verteilt. Die Randträger wurden mit Decken und Stützen über Vergussbereiche kraftschlüssig verbunden. Die Stützen aus Brettschichtholz besitzen eine vertikale Zugverankerung durch eingeklebte Eisen und durch den Verguss im Hüllrohr mit dem Randträger. Außen war eine Putzfassade vorgesehen. Einige Holzoberflächen blieben unverkleidet und somit sichtbar.
Den Planer:innen war wichtig, dass das Gebäude ohne künstliche Lüftung auskommt, die von Bewohner:innen meist falsch bedient wird. Stattdessen lassen sich alle Fenster ganz bewusst noch öffnen, auch im obersten Stock.
Bei der Fertigstellung war das HoHo mit 84 Metern das höchstes Holzhochhaus der Welt. Inzwischen ist das „Mjøstårnet“ in Brumunddal, Norwegen mit 85,5 Metern das höchste. Die Bauprojektleitung hatte sich kurzerhand noch für einen weiteren Dachausbau entschieden.
HoHo Wien als Vorzeigebeispiel für nachhaltigen Holzsystembau
Der Einsatz von Holz im Bauwesen hat viele ökologische Vorteile, ist schneller zu verbauen, aber auch für die Bewohner:innen, die das Gebäude später nutzen. Zunächst fällt die CO2 Bilanz positiv auf. Das HoHo Wien besteht zu 75 Prozent aus Holz und spart im Vergleich zu einer Ausführung in Stahlbeton etwa 2.800 Tonnen CO2-Äquivalente ein. Das entspricht ungefähr 20 Millionen Pkw-Kilometern. Auch bei weiteren Holzbauten ist das der Fall.
Das Baumaterial Holz ist außerdem nachwachsend, anders als das Baumaterial Sand. Den wird man im Bau immer brauchen, weshalb es besonders wichtig ist, ihn nur dort einzusetzen, wo er nicht durch ein anderes Material ersetzt werden kann. Besonders in einem Land wie Österreich, dessen zweitgrößter Wirtschaftszweig nach dem Tourismus die Holzindustrie ist, macht es Sinn, an Holz zu denken. Nicht zuletzt, um auch die heimische Wirtschaft zu unterstützen. Der Staat Deutschland setzt bereits ein Zeichen, indem er alle öffentlichen Gebäude in Hybridbauweise, also aus Holz und Beton, planen lässt. Beim HoHo wurde mit österreichischer Fichte gearbeitet, die in der Baubranche beliebt ist, da sie schnell wächst und eine hohe Qualität liefert.
In Österreich wachsen pro Jahr 30 Millionen Kubikmeter Holz nach. Nur 26 Millionen Kubikmeter davon werden genutzt, was dazu führt, dass der Rest im Wald verbleibt und der Holzvorrat stets steigt. Rein rechnerisch wächst jede Sekunde 1 Kubikmeter Holz nach. Auf das HoHo bezogen bedeutet das, dass das gesamte Bauholz in 1 Stunde und 17 Minuten nachgewachsen ist. Entscheidet man sich wie beim HoHo für die Holzsystembauweise, ist eine schnellere und sauberere Arbeit als bei konventionellen Bauweisen möglich. Der Großteil geschieht bereits in der Produktionshalle, wo die Fichte mit hochmodernen Fertigungsmethoden verarbeitet wurde. So entstanden alle Elemente für Dach, Decken und Wände und waren bereits montagebereit. Österreich punktet hier ein weiteres Mal durch Betriebe, die weltweit führend in Technik und Innovation der Holzbaubranche sind und sich auch vor Großbauprojekten nicht scheuen.
Der Holzsystembau birgt noch weitere Vorteile, wo man sie nicht vermutet. Durch die präzise Berechnung und ebenso präzise Umsetzung heutzutage sind die Holzbausysteme statisch sehr belastbar. Im HoHo könnte theoretisch jede zweite Säule versagen und das Gebäude würde noch immer stehen. Zudem ist Holz so leicht, dass es in Städten besonders für den Dachausbau verwendet werden kann. Es kann so die Reserven des bestehenden Gebäudes optimal ausnutzen. Im Systembau ist es üblich wie beim HoHo mit massiven Brettsperrholzplatten zu arbeiten. Diese können gleich wie Stahlbetonplatten verwendet werden und bieten große Chancen im urbanen Hochbau.
„Nebenbei verbreitet Holz einen angenehmen Duft. Wie angedeutet wurde in Studien gezeigt, dass Holz als Baumaterial eine positive Wirkung auf die Raumluftqualität und das Wohlbefinden der Menschen hat. Deren Puls soll in Räumen aus Holz besonders ruhig sein. Die Optik kommt heute immer besser an, denn Holzbau bedeutet nicht unbedingt rustikale Zirbenstube.“

© Cetus Baudevelopment, Kito
Auf dem Holzweg? Herausforderungen beim HoHo
Dass bei einem Pionierprojekt nicht alles glatt läuft, ist klar. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Eine der größten Herausforderungen beim Bau des HoHo Wien war die Skepsis der Holzbranche selbst. Die Holzkonstruktion des Hochhauses wurde anfangs belächelt, doch letztendlich erwies sie sich als erfolgreich. Vom Beginn der Planungsphase bis zum Spatenstich vergingen 2 Jahre. Wer mit Holz baut, darf sich definitiv auf eine längere Planungsphase einstellen, sich dann aber über eine kurze Bauzeit freuen. Auch einen rechtskonformen, bewilligbaren Status zu erreichen, war ein hoher Aufwand. Es bleibt zu hoffen, dass sich die entsprechenden Stellen in Zukunft kooperativer zeigen.
Zuletzt war nicht von Anfang an klar, wer in das Projekt investieren würde, das eine Großbaustelle aus Holz ohne Prototypen werden würde. Hoch im Planungsaufwand, hoch in den Materialkosten, hoch im Risiko. Aber eben auch hoch in nachhaltigen Standards und ein großes Zeichen in der Baubranche.
Brandgefahr und Feuchtigkeit
Brandgefahr war ein wichtiger Aspekt beim Bau des HoHo Wien. Durch einen Brandversuch konnte die Feuerbeständigkeit der Holzkonstruktion nachgewiesen werden. Nur 1,7 Zentimeter des Holzes verbrannten während des 90-minütigen Versuchs bei 2.000 Grad Celsius. Es wurden drei Brandschutzmaßnahmen entwickelt durch Überdimensionierung, sehr kleine Brandabschnitte und eine Sprinkleranlage.
Entgegen der allgemeinen Meinung, ist Wasser der größere Feind von Holz ist. Um das Holz während des Baus zu schützen, wurde pro Woche nur ein Geschoß geflämmt und verbaut, um es vor Regen zu schützen. In Zukunft sollte Regen ihm jedoch nichts mehr anhaben. Wichtig ist nur, dass ein Holzbau wieder trocknen kann. Dann bleibt er lange bestehen ohne morsch zu werden.
HoHo als Vorbild für Hochhäuser in Wien und der Welt
Die Erfahrungen beim HoHo zeigen: technisch gesehen gibt es keine Grenzen für die Architektur beim Bauen mit Holz. Dank moderner Technologien und computergestützter Planung können Holzelemente bis ins kleinste Detail gestaltet werden. Architekt:innen steht eine ganze Welt offen: Rundungen, die Arbeit mit Spannweiten und asymmetrischen Konstruktionen, um Holz zum trendigen Designelement zu gestalten.
Das Projekt zeigt, wie wichtig es ist, Holz als regionalen und nachhaltigen Baustoff zu verwenden und möchte Vorbild für weiter Projekte sein. Daher beschlossen Caroline Palfy und ihr Team, das Baukastensystem des HoHos auch nicht zu patentieren. Es soll der Baubranche einen leichten Einstieg in den Holzbau ermöglichen und aus den Erfahrungen im HoHo schöpfen. Das HoHo Wien hat bisher keine wirklichen Nachahmer gefunden. Es bleibt zu hoffen, dass Holzbranche und Baubranche erkennen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen können.
In Skandinavien, wo der Holzbau immer beliebter wird, entstehen weitere Holzhybridbauprojekte. Zwar kein Hochhaus, jedoch soll das “Espoo House” ab 2026 ein öffentliches Gebäude sein für Entscheidungsträger, Stadtangestellte und Einwohner der finnischen Stadt Espoo. In Stockholm wird für 2027 eine große Wohnsiedlung in Holz angedacht. Die Bewohner:innen sollen auf 250.000 Quadratmetern die Ruhe des Waldmaterials genießen dürfen.



© Sima Prodinger
Fazit des HoHo Wien
Das HoHo Wien ist ein wegweisendes Beispiel für nachhaltigen Holzbau. Es hat gezeigt, dass Holz als Baustoff viele Vorteile bietet, wie eine positive ökologische Bilanz, gestalterische Flexibilität und ein gesundes Raumklima. Der Einsatz von regionalem Holz im Bauwesen ist ein wichtiger Schritt zur Reduzierung von CO2-Emissionen und ein Zeichen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung.
Es ist an der Zeit, dass mehr Bauherr:innen, Architekt:innen und Unternehmer:innen den Holzbau als Alternative zu herkömmlichen Materialien in Betracht ziehen und das HoHo Wien als inspirierendes Beispiel ansehen und nachahmen.
Teilen wir ein gemeinsames Mindset?
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